"Cholesterin
hat in unserem Körper die Aufgabe
unsere
Gefäße verkalken zu lassen“
(Antwort
einer Zuhörerin in einem
Vortrag über Cholesterin)
Lebenswichtige Funktionen und die Konzentration
wichtiger Stoffe werden vom Körper genauestens kontrolliert und reguliert. Dies
gilt für die Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur,
Blutzuckerspiegel und Cholesterinspiegel, um nur einige zu nennen. Alle diese
Größen lassen sich therapeutisch nur mit erheblichem Aufwand verändern und
erfordern dann häufig medikamentöse Behandlung.
Dies gilt auch für Cholesterin. Unser Körper kann
Cholesterin aus nahezu allen Nährstoffen herstellen. Seine Produktion erfolgt
über die Bildung von aktivierter Essigsäure (Acetyl-CoA). Diese Bausteine
werden zu einem großen Molekül, dem Squalen, zusammengebaut. Anschließend
werden mit Enzymen Ringstrukturen erzeugt, was letztlich Cholesterin ergibt.
In einigen
meiner Vorträge fragte ich die Zuhörer nach den Funktionen von Cholesterin.
Relativ häufig kam als einzige Antwort: „Cholesterin hat die Aufgabe die Blutgefäße
verkalken zu lassen“. Die umfassende Anticholesterin-Kampagne hat in der
Bevölkerung offensichtlich ihre Spuren hinterlassen.
Doch
zurück zur Frage welche Aufgaben Cholesterin in unserem Körper hat:
Cholesterin hat Schutzfunktionen für Nerven, Haut,
Nieren und für die Membranen der Körperzellen. Es ist Grundstoff für die
Bildung von Hormonen wie Östrogenen, Androgenen, Vitamin D und Gluco- und
Mineralcorticoiden („Cortison“). Aus Cholesterin werden in der Leber
Gallensäuren hergestellt, die die Fettverdauung ermöglichen. Cholesterin
verstärkt die Schutzwirkung des Immunsystems, optimiert die Elastizität der
roten Blutkörperchen und hat maßgeblichen Einfluss auf die kindliche
Gehirnentwicklung.
Wegen dieser vielen
lebenswichtigen Aufgaben lässt sich der Cholesterinspiegel durch Diätmaßnahmen
kaum verändern. Bei den großen
Studien die weltweit mit bis zu 5500 Patienten pro Untersuchung durchgeführt
wurden, konnte durch Diät, bzw. durch Diät mit Umerziehung der
Ernährungsgewohnheiten in einem Zeitraum zwischen 2 und 10 Jahren keine
Cholesterinsenkung, die ihren Namen verdient hätte, erzielt werden. In einer Studie (UK Heart – DPP) die ca. 6
Jahre lief, nahm das Cholesterin nach Schulung und Diät sogar um 1% zu.
Wie oben gesagt:
Unser Körper lässt eine Veränderung des Cholesterinspiegels nicht zu. Er kann
Cholesterin aus Zuckern, Eiweißbausteinen und anderen Fetten in erforderlichen
Mengen herstellen.
In erster Linie erfolgt die Produktion in
der Darmschleimhaut und in der Leber. Allerdings sind auch nahezu alle anderen
Körperzellen in der Lage Cholesterin herzustellen.
Am Tage wird im Körper eine Menge von 1 bis
2 Gramm hergestellt. Aus der Nahrung stammen 0,1 bis 0,3 Gramm fertiges
Cholesterin. Mehr als 0,5 Gramm kann der Darm täglich nicht aufnehmen, auch
wenn in der Nahrung mehr enthalten ist. Man schätzt, dass normalerweise über
70% des im Körper benötigten Cholesterins in der Leber synthetisiert wird und
nur weniger als 30% aus der Nahrung stammt. Diese Zahlen zeigen auch, dass der
Körper mit Leichtigkeit eine
Einschränkung des Nahrungscholesterins durch Erhöhung der eigenen Synthese
ausgleichen kann.
Die kürzlich abgeschlossene „Heart
Protection Study“ konnte zeigen, dass man bei Personen, die ein hohes Risiko
haben innerhalb der nächsten 5 Jahre an Herzinfarkt zu sterben durch die
Substanz Simvastatin das Risiko deutlich vermindern kann. Darüber hinaus senkte
die Substanz auch das Risiko für einen Schlaganfall. Dies gilt für Männer und
Frauen und für Personen bis 85 Jahren.
Simvastatin ist ein „Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmer“ (CSE-Hemmer), der eigentlich über die Senkung des Cholesterinspiegels seine Wirkung haben sollte. Jedoch zeigte sich, man höre und Staune, der Effekt unabhängig von der Höhe des Ausgangs-Cholesterinspiegels. Der positive Effekt zeigte sich bei allen Risikopatienten ab einem Cholesterinspiegel von 135 mg/dl (Sollwert nicht mehr als 200 mg/dl). Daraus schließen die Autoren, dass weder der Cholesterinspiegel, noch die Höhe des „schädlichen“ LDL-Cholesterins geeignet ist, um festzulegen, ob der Patient Simvastatin braucht. Nur andere Risikofaktoren, wie Verkalkung der Arterien des Herzens, des Gehirns, der Beine, ein behandelter Bluthochdruck bei einem Alter über 65 Jahren, eine Zuckerkrankheit usw. entscheiden darüber, ob eine Simvastatinbehandlung eingeleitet wird.
In diesem Jahr (2002) wurde die ALLHAT-Studie mit ursprünglich 40000 Teilnehmern abgeschlossen. (ALLHAT = The Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to prevent Heart Attack Trial). Den besten Schutz vor Herzinfarkt bietet das Wassermittel Chlortalidon, obwohl es den Blutzucker und den Cholesterinspiegel erhöhen kann. Auch dieses Ergebnis erhebt die Frage, ob Cholesterin so schädlich ist, wie es uns suggeriert wird. (Chlortalidon schützte besser als Amlodipin, Lisinopril und Doxazosin).
©K. Seubert 2002