Einleitung

 

„Wir Modernen, wir Kurzatmigen in jedem Sinne,

wir krepieren an übermäßiger Fütterung

und sterben an mangelnder Verdauung.“

(Friedrich Nietsche)

 

Richtige und optimale Ernährung  steht heute im Mittelpunkt des Interesses. Dabei reduziert sich die Fragestellung häufig auf die Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Ähnlichem. Bei richtiger Zusammensetzung soll eine minimale Energiezufuhr gewährleistet werden, die eine Normalisierung des Körpergewichtes zur Folge haben soll. Die Realität ist ernüchternd. Alle Diätmaßnahmen führen letztlich zu einer Gewichtszunahme, wenn sie in kürzeren Abständen hintereinander wiederholt werden (Jojo-Effekt).

 

Seit langer Zeit ist auch der Aspekt „gesundheitsschädliche Nahrungsinhaltsstoffe“ in der Diskussion. Jedoch erst in jüngster Zeit wurde deutlich, dass traditionelle Methoden der Speisenzubereitung und überlieferte Nahrungsmittelkombinationen einen wichtigen biologischen Hintergrund haben. Die Speisen sollen dadurch an die menschlichen Bedürfnisse angepasst werden, Schadstoffe sollen abgebaut und Inhaltstoffe besser verwertbar sein. Das Essen soll „verträglicher“ werden.

 

Dieser Aspekt bleibt aus Unkenntnis in der modernen „Gourmetküche“ und noch vielmehr in der industriellen Nahrungsmittelproduktion oft unberücksichtigt. Man traktiert die „Gourmets“ mit schwer verdaulicher Rohkost und abenteuerlichen Nahrungsmittelkombinationen. Weil der Körper sich nicht auf Dauer betrügen lässt, findet man in diesen Lokalen sehr wenige Stammkunden. Viele „Feinschmecker­lokale“ überleben durch Laufkundschaft in der Anonymität von Großstädten. Oft sind sie trotzdem nach kurzer Zeit gezwungen wieder zu schließen.

 

Die Nahrungsmittelindustrie erfindet stets neue Produktionsverfahren und Produkte, die jedoch von den Kunden nur kurze Zeit akzeptiert werden. Dies führt zu ständig wechselnden Angeboten um die gewünschten Umsätze zu garantieren.

 

Das menschliche Appetitverhalten wird darüber hinaus maßgeblich dadurch gesteuert, dass wir durch die Auswahl unserer Nahrung und Getränke die Stimmung verbessern, Glücksgefühle erzeugen, also mit Nahrungsinhaltsstoffen unser Gehirn manipulieren können. Aus diesen Gründen kommt es oft zu einer Mehraufnahme von Nährstoffen, die in Kauf genommen wird, um das gewünschte Ziel im Gehirnstoffwechsel zu erreichen. Dies scheint ein Hauptgrund für die kontinuierliche Gewichtszunahme des mitteleuropäischen frustrierten und depressiven Durchschnittsbürgers zu sein.

 

In diesem Buch sollen einfache Lösungen dieser komplexen Thematik aufgezeigt werden. Wie man bei landlebenden Säugetieren, von deren Vorfahren wir abstammen, oder auch in eindrucksvollen Essversuchen mit abgestillten Kindern zeigen konnte, ist das Appetitverhalten angeboren. Es muss allerdings immer wieder „justiert“ werden, weil durch die oben genannten Einflüsse nachteilige Veränderungen des Appetit­verhaltens entstanden sind.

 

Nicht ohne Grund schreiben die großen Weltreligionen jährliche Fastenzeiten vor, die die Funktion dieser Justierung erfüllen. Durch Fastenmaßnahmen gewinnt der Mensch die Sensibilität, die zu einem normalen Appetitverhalten führt. So vorbereitet kann er aus frei auszuwählenden Lebensmitteln das für ihn optimale Nahrungsmittelspektrum finden. Das ist notwendig, weil es eine für alle Menschen gleiche und einheitliche Ernährungsempfehlung nicht gibt. Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Das Spektrum der verzehrten Nahrungsmittel unterscheidet sich von Mensch zu Mensch erheblich.

 

Das zeigten die Essensuntersuchungen bei den oben genannten Kleinkindern. Die spontane Auswahl der Lebensmittel war von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Das Ergebnis dieser Studie wirkt allerdings sehr ermutigend: nach einem halben bzw. einem Jahr hatten sich alle Studienteilnehmer überdurchschnittlich kräftig entwickelt, sie waren freundlich und ruhig und psychisch ausgeglichen. Bei keinem der Kleinkinder, die ihre Nahrung frei auswählen durften, zeigte sich Fettansatz oder Hinweis auf eine Stoffwechselstörung.

 

Dass sich das Essverhalten sogar auf die Therapie von Krankheiten erstreckt, zeigte sich bei einem Kind mit einer beginnenden Rachitis (Vitamin-D-Mangel). Das Kind aß spontan ihm angebotenen Lebertran so lange, bis die Rachitis erfolgreich behandelt war. Dann verlor es das Interesse an dieser Substanz.

 

Eine spezielle Diagnostik, die von dem österreicherischen Arzt Dr. F. X. Mayr zu Beginn des letzten Jahrhunderts entwickelt und propagiert wurde, gestattet es speziell ausgebildeten „Mayr-Ärzten“ den Gesundheitszustand und die Auswirkungen der Ernährung eines Patienten zu beurteilen und ihm so wertvolle Tipps zu geben, wie er seine Ernährung optimieren kann.

           

Ein „Mayrarzt“ ist durch seine subtilen Untersuchungsmethoden in der Lage Fastenmaßnahmen und das Essverhalten optimal zu gestalten. Da es beim Fasten zu heftigen Reaktionen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufsymptomen kommen kann, sollte es stationär erfolgen. Das insbesondere dann, wenn die Fastenmaßnahme lange nicht oder noch nie durchgeführt wurde. Daran anschließend kann der Kostaufbau erfolgen. Eine Fastenmaßnahme sollte mindestens 14 Tage dauern und ein- bis zwei Mal jährlich durchgeführt werden.

 

Häufig ist die Ursache für übermäßiges Essen durch psychischen Stress verursacht. Um Übergewicht, das aus diesem Grund entstanden ist, erfolgreich zu behandeln, müssen die Betroffenen lernen zwischenmenschliche und soziale Defizite zu beseitigen. Das Training in sozialer Kompetenz und Konfliktlösung stellt dann eine erfolgreichere Adipositasbehandlung dar, als eine Ernährungsempfehlung.

 

©K. Seubert 2002